Er hat einen starren Blick und eine ernste Miene.
Er trägt Uniform, eine Schirmmütze und weiße Handschuhe.
Er hat einen Auftrag: Den 4:56 Uhr-Zug der Sobu-Linie pünktlich nach Ryoguku zu bringen.
Mission erfüllt!
Aber mein Besuch der Fischauktion scheiterte trotzdem: Es gibt täglich 120 Tickets, und diese werden bereits ab 4 Uhr vergeben. So ist eine Ankunft um 5:25 Uhr zwar sehr früh, aber doch zu spät.
Was also tun mit dem frisch angebrochenen Tag? Selbst Parks sind noch nicht geoeffnet, etwas Architektur anschauen... aber das war es dann auch. Also zurück ins Hotel. Zwischenstopp am Kaffeeautomaten. Einer, der Instant-Mischungen bastelt.
Was in Deutschland nie, nie, nie geklappt hätte: 70 Yen mit einem 1.000 Yen-Schein (8€) bezahlen, korrektes Wechselgeld *und* den zugehörigen Kaffee bekommen. Hier geht das.
Hauptattraktion heute sollte die Kirschblüte werden, welche die Einwohner insbesondere im Ueno-Park genießen. Im Supermarkt des Bahnhofs dachte ich für einen Moment daran, ein Bier zu kaufen. In Deutschland ist es schließlich Nacht auf Samstag, 1 Uhr... nee, nix da. Hier scheint die Sonne.
100 Meter weiter, kurz vorm Park, verkauft der Minimarkt vor dem Eingang: Dosenbier aus Wannen mit Eiswürfeln. Na dann, Päckchen Sushi dazu und es den Japanern gleich tun.
Ich war noch vollkommen nüchtern, als ich die ersten geballten Kirschbäume in voller Blüte sah. Ab dem Moment bedurfte es keiner weiteren Erklärung, dass es den bereits erwähnten Unterschied zwischen "Sakura" und "Hanami" gibt. Ja - das möchte man sich Stunden lang anschauen und sich freuen.
Bereits am Morgen strömten die Massen unter dem Blütenmeer hindurch. Sämtliche Randplätze waren mit Plastikplanen reserviert, und sofern die entsprechenden Leute noch nicht da waren, schlief jemand Wache. Drollig: Sogar vor den Planen zieht man seine Schuhe aus.
Nach Rundgang setze ich mich auf einen freien Vorsprung, spülte den Frühstücksfisch mit Bier hinunter und genoss das Treiben.
Ist das eigentlich schlimm, wenn man Asiaten nicht auseinanderhalten kann? Gemäß meines Grundsatzes "Alle Menschen sind gleich" hielt ich auch Burmesen und Thailänder für Japaner.
Ok, gebt mir jeweils einen halbwegs typisch aussehenden Holländer, Polen und Deutschen und ich sag Euch, wer davon wer ist... aber Japaner würden das nicht können :o)
Wie dem auch sei. Die Gruppe aus Burma, Studenten wohl, wurde von einem der zahlreichen TV-Teams interviewt, und der Thailänder gehörte zur Gruppe Japaner, die mich in ihre Runde einlud. Whow! Mittendrin statt nur dabei. Grossartig.
Interkultureller Austausch und Verköstigung von Reiswein, Lachssandwiches und eingelegtem Irgendwas.
Nachdem ich auch noch den "Japanischen Wodka" (made in South Korea) aus der 1,8l Plastikflasche probieren sollte, war es um zwölf Zeit zum Aufbruch. Um den Tag zu retten, schließlich wollte ich ja noch was sehen.
Zwei Bemerkungen gerade noch: Warum hat Düsseldorf mit traditionell großem japanischem Bevölkerungsanteil nicht mal eine Allee mit Kirschen bepflanzt? Schick wär's!
Und was ich mal gar nicht vermisste: Amis die "awesome!" rufen ;-)
(Vor)gestern bewegte ich mich wohl eher in untouristischen Gegenden, heute auf der Einkaufsmeile oder vorm Kaiserpalast war ich dann nicht mehr der einzige Europäer.
Der Palast: Riesig, von Festungsmauer gesäumt und mit Wassergraben... rein kann man nur zweimal im Jahr, aber auch so imposant. Ansonsten viel neue Architektur. Bauten, wo man in Deutschland denken würde "uih, das ist mal was anderes" stehen hier an jeder dritten Ecke.
Wer zu Fuß geht, anstatt die Metro nehmen, macht zwar einige Kilometer mehr - aber sieht auch mehr. Selbst in "Standardvierteln" gab es immer noch irgendwas zu entdecken.
Und sei es, dass ich interessiert schaute, was dieser Laden denn da für Klopse verkauft. Der Inhaber bot mir einen an, die Ess-Anleitung gab es dazu: Mit den Stäbchen auf den chinesischen Suppenlöffel legen. Dann vorsichtig einstechen und die Brühe aus der Teighülle saugen. Danach samt Schweinefleischfüllung essen. Abendessen gerettet! Und er spendierte mir sogar noch ein Bier dazu. Viva Hanami! Oder sah ich heute so bedürftig aus? Der Jetlag ist jedenfalls weg.
Nächste Straße, nächstes Erlebnis. Das alteingesessene Kaufhaus Takashimaya. Eigentlich nur mal kurz reinschauen. Doch die Zeremonie an den sechs Aufzügen zog mich in ihren Bann. Eine adrett gekleidete Dame mit Hut (siehe Foto) fragte die Kunden nach der gewünschten Fahrtrichtung und wies zum richtigen Aufzug. Der wiederum per Hand von einer Kollegin gesteuert wird.
Einsteigen, dabei sein? Ja - es brauchte ich ein Ziel. Dazu dann gleich mehr. Also: Ab in den Aufzug. Wenn dieser voll ist, heben beide beteiligten Damen die Arme waagerecht, selbst wenn niemand mehr kommt, die zurückbleibende verneigt sich, während sich das fahrende Personal nach den Zielstockwerken der Kunden erkundigt, diese ansagt und dort jeweils draußen fragt, ob noch jemand mitmöchte. Was für eine Show!
Ziel war der Dachgarten samt Gartenabteilung. Lars, ein alter Freund aus Dortmund (also langjährig, nicht alt, trotz zwei Kindern) züchtet jetzt wohl Bonsais (hm... doch alt? ;-)) und fragte, ob ich ihm eine Spezialschere dafür mitbringen könne, "aber keine Umstände". Nun - diese machte sich das Personal der Gartenabteilung (eher Gartendeko) mit Hingabe und telefonierte durchs Haus, um mich dann persönlich ans Ziel zu bringen. Wo es zum beiderseitigen Bedauern allerdings nur Nagelscheren gab. Direkt bei den Kochmessern, Preis ab 80 Euro aufwärts bis 500.
Mein scharfes Erlebnis am Abend machte mich zum Warmduscher. Ich traute mich im Hotel, mal die "Dusche im Klo" auszuprobieren. Nun, was soll ich sagen... treffsicher und wohl temperiert.
Ach, da fällt mir noch etwas Passendes zum Ausklang ein. Ich fragte in einem Gasthaus ein Zimmer an, Antwort "you can have a wild room". Rückfrage, was denn ein wildes Zimmer sei. Antwort: "Oh, wide room, not wild. We are sorry for this incontinence."
Gut Kirschen schauen.
Saturday, March 23, 2013
Tokyo, Kanto, Japan
Other Entries
-
1Prolog.
Mar 185 days priorBerlin, Germanyphoto_camera0videocam 0comment 0 -
2Oben sitzen.
Mar 203 days priorFrankfurt am Main, Germanyphoto_camera11videocam 0comment 0 -
3New York, Rio...
Mar 212 days priorTokyo, Japanphoto_camera6videocam 0comment 1 -
4Saubere Sache, dieses Tokio...
Mar 221 day priorTokyo, Japanphoto_camera11videocam 0comment 1 -
5Gut Kirschen schauen.
Mar 23Tokyo, Japanphoto_camera15videocam 0comment 0 -
6Den ganzen Weg gerannt.
Mar 241 day laterKyōto, Japanphoto_camera37videocam 0comment 0 -
7Ich glaub, ich steh im Bambuswald
Mar 252 days laterKyōto, Japanphoto_camera14videocam 0comment 0 -
8Der Pool ist das Ziel
Mar 263 days laterAmanohashidate, Japanphoto_camera10videocam 0comment 0 -
9Aufzug hoch, Daumen hoch!
Mar 274 days laterHimeji, Japanphoto_camera6videocam 0comment 0 -
10Fury after the Slaughterhouse.
Mar 274 days laterOsaka, Japanphoto_camera6videocam 0comment 0 -
11Da brat mir doch einer nen Hirsch!
Mar 285 days laterNara, Japanphoto_camera9videocam 0comment 0 -
12Perfekt.
Mar 296 days laterIto, Japanphoto_camera9videocam 0comment 0 -
13Last supper? - Last Sushi!
Mar 307 days laterTokyo, Japanphoto_camera16videocam 0comment 0 -
14Epilog.
Mar 318 days laterFrankfurt, Germanyphoto_camera12videocam 0comment 0
2025-02-09